Das Fasten im Ramadan gehört zu den fünf Säulen des Islam und ist für jeden gesunden, erwachsenen Muslim verpflichtend. Doch es gibt wichtige Ausnahmen: Wer krank ist oder reist, darf das Fasten unter bestimmten Bedingungen brechen. Auch schwangere und stillende Frauen sowie Menschen mit chronischen Krankheiten haben besondere Regelungen. Viele Muslime sind sich jedoch unsicher, wann genau das Fastenbrechen erlaubt ist – und genau hier entstehen oft Missverständnisse.
Wer darf das Fasten brechen?
Es gibt vier Hauptgruppen, für die das Fastenbrechen erlaubt ist:
Kranke und Reisende
Die erste Gruppe umfasst Kranke, die durch das Fasten Schaden erleiden könnten, und Reisende. Wichtig: Mit „krank“ ist nicht ein einfacher Schnupfen oder Fußpilz gemeint, sondern eine Krankheit, die sich durch das Weiterfasten verschlimmern würde oder bei der sogar Lebensgefahr besteht.
Als Reisender gilt, wer eine Strecke von mindestens 81 Kilometern und 17 Metern zurücklegt – diese Distanz haben Gelehrte aus den historischen Reisen der Prophetengefährten berechnet. Sobald du die Stadtgrenze hinter dir lässt, darfst du das Fasten brechen, auch wenn du die 81 Kilometer noch nicht vollständig zurückgelegt hast.
Ein wichtiger Hinweis zur Reise: Es spielt keine Rolle, ob du mit dem Auto, Flugzeug oder zu Fuß unterwegs bist. Die Erleichterung gilt gleichermaßen. Auch wenn das Reisen heute komfortabler ist als früher mit dem Kamel, bleibt die Regel bestehen. Gerade beim Autofahren kann Fasten gefährlich werden – durch Müdigkeit oder Sekundenschlaf.
Für beide Gruppen gilt: Sie müssen die versäumten Fastentage bis zum nächsten Ramadan nachholen. Das Fasten zu brechen ist für sie sogar besser, wenn die Reise sehr anstrengend ist oder die Krankheit ernst. Bei extremer Belastung kann das Weiterfasten sogar verboten sein.
Frauen während der Menstruation und im Wochenbett
Frauen, die ihre Menstruation (Haid) haben oder sich im Wochenbett nach der Geburt (Nifas) befinden, müssen das Fasten brechen. Selbst wenn sie fasten würden, würde dieses Fasten nicht gezählt werden. Diese Tage müssen später nachgeholt werden.
Schwangere und stillende Frauen
Schwangere und stillende Frauen dürfen das Fasten brechen, wenn sie Angst um ihre eigene Gesundheit oder die Gesundheit des Kindes haben. Sollten sie trotzdem fasten, gilt das Fasten – im Gegensatz zu Frauen während der Menstruation.
Nach der Hanbali-Rechtsschule gilt: Bricht eine schwangere oder stillende Frau das Fasten aus Sorge um sich selbst, muss sie den Tag nur nachfasten. Bricht sie es jedoch aus Sorge um das Kind, muss sie zusätzlich zum Nachfasten pro Tag einen Armen speisen.
Menschen mit chronischen Krankheiten und sehr alte Menschen
Menschen, die aufgrund einer unheilbaren Krankheit (wie bestimmte Formen von Diabetes) oder wegen hohen Alters dauerhaft nicht fasten können, müssen nicht nachfasten. Stattdessen speisen sie für jeden versäumten Tag einen Armen mit einer normalen Mahlzeit.
Häufige Fehler und Missverständnisse
„Ich arbeite hart, also darf ich das Fasten brechen“
Das ist falsch. Körperlich anstrengende Arbeit oder Sport (wie Boxen) sind keine Gründe, das Fasten zu brechen. Wer ohne berechtigten Grund das Fasten bricht, begeht eine große Sünde. Man kann diese Sünde auch nicht durch Geldspenden oder das Speisen von Armen ausgleichen – der versäumte Tag muss nachgefastet werden.
Nachfasten oder Arme speisen?
Viele denken, sie könnten statt nachzufasten einfach Geld spenden oder Arme speisen. Das ist nur in einem Fall erlaubt: bei Menschen mit unheilbaren Krankheiten oder im hohen Alter, bei denen keine Aussicht auf Besserung besteht. Allah sagt im Koran klar: „Eine Anzahl anderer Tage“ – das bedeutet, du musst die versäumten Tage nachfasten.
Was bricht das Fasten?
Folgende Handlungen brechen das Fasten:
- Essen und Trinken (bewusst)
- Rauchen und Schnupftabak
- Zäpfchen und Medikamente, die über den After eingeführt werden
- Augentropfen, wenn sie in den Hals gelangen
- Absichtliches Erbrechen (wer sich den Finger in den Hals steckt)
- Geschlechtsverkehr
- Masturbation oder andere sexuelle Handlungen, die zur Ejakulation führen
Was bricht das Fasten nicht?
- Versehentliches Essen oder Trinken: Wer vergisst, dass er fastet, und isst oder trinkt, darf das Fasten fortsetzen. Der Prophet sagte: „Wer vergisst, während er fastet, und isst und trinkt, der soll sein Fasten weiterführen, denn Allah hat ihm Speise und Trank gegeben.“
- Unwillkürliches Erbrechen
- Feuchte Träume während des Schlafs
- Versehentliches Verschlucken von Wasser beim rituellen Waschung (Wudu)
- Staub oder Insekten, die unabsichtlich in den Hals gelangen
- Speichel schlucken
- Parfüm tragen
Die Zweifelsfälle: Morgendämmerung und Sonnenuntergang
Hier gilt eine wichtige Regel:
- Zweifel am Morgen: Wenn du morgens nicht sicher bist, ob die Morgendämmerung schon eingesetzt hat, und du isst oder trinkst noch etwas, dann ist dein Fasten gültig, selbst wenn sich später herausstellt, dass die Morgendämmerung schon begonnen hatte.
- Zweifel am Abend: Wenn du abends Zweifel hast, ob die Sonne schon untergegangen ist, darfst du nicht essen oder trinken. Isst du trotzdem und stellt sich heraus, dass die Sonne noch nicht untergegangen war, musst du diesen Tag nachfasten.
Die Regel lautet: Was mit Gewissheit feststeht, wird durch Zweifel nicht zunichtegemacht.
Die schwere Strafe: Geschlechtsverkehr während des Fastens
Wer tagsüber während des Ramadan-Fastens Geschlechtsverkehr hat, begeht nicht nur eine Sünde, sondern muss auch eine besondere Sühne (Kafara) leisten:
- Einen Sklaven freilassen (heute nicht mehr relevant)
- Wenn das nicht möglich ist: 60 Tage hintereinander fasten
- Wenn auch das nicht möglich ist: 60 Arme speisen
Wichtig: Diese Strafe gilt nur für Geschlechtsverkehr im Ramadan selbst, nicht beim Nachfasten danach. Bei Masturbation oder anderen sexuellen Handlungen (außer Geschlechtsverkehr) muss nur der Tag nachgefastet werden, ohne die zusätzliche Sühne.
Die Strafe gilt auch dann, wenn jemand nicht wusste, dass es dafür eine Strafe gibt – solange er wusste, dass Geschlechtsverkehr während des Fastens verboten ist.
Sonderfälle bei Reisenden und Kranken
Wer auf Reise ist oder krank ist und deshalb das Fasten brechen darf, muss diese Sühne nicht leisten, wenn er Geschlechtsverkehr hat – denn für ihn war das Fastenbrechen ohnehin erlaubt.
Praktische Tipps für den Ramadan
Ab welchem Alter müssen Kinder fasten?
Kinder sollten ab 7 Jahren ans Fasten herangeführt werden, genau wie beim Gebet. Mit 10 Jahren sollte das Fasten bereits ernsthafter praktiziert werden. Pflicht wird es jedoch erst mit Eintritt der Geschlechtsreife.
Womit bricht man das Fasten am besten?
Die Sunna ist, das Fasten in dieser Reihenfolge zu brechen:
- Mit frischen Datteln
- Mit getrockneten Datteln
- Mit Wasser
Darf man seine Frau küssen?
Ja, das ist grundsätzlich erlaubt. Es wird jedoch nicht empfohlen für jemanden, der befürchtet, dadurch starke Gelüste zu bekommen, die er kaum kontrollieren kann.
Zusammenfassung
Das Fasten im Ramadan ist eine zentrale Pflicht im Islam, aber Allah hat Erleichterungen für bestimmte Gruppen vorgesehen. Wichtig ist:
- Körperliche Anstrengung bei der Arbeit ist kein Grund zum Fastenbrechen
- Wer ohne Erlaubnis das Fasten bricht, begeht eine große Sünde
- Versäumte Tage müssen nachgefastet werden (außer bei unheilbaren Krankheiten)
- Versehentliches Essen oder Trinken bricht das Fasten nicht
- Geschlechtsverkehr während des Fastens zieht eine schwere Sühne nach sich
Diese Regeln mögen auf den ersten Blick komplex erscheinen, doch sie zeigen die Barmherzigkeit Allahs, der jeden Menschen in seiner individuellen Situation berücksichtigt. Das Fasten soll uns läutern und näher zu Allah bringen – nicht uns überfordern oder schaden.
