Warum gibt es Schiiten und Sunniten im Islam?

Wenn Menschen über den Islam sprechen, fällt oft die Frage nach den Unterschieden zwischen Sunniten und Schiiten auf. Manche Kritiker nutzen diese Spaltung, um die Glaubwürdigkeit des Islam anzuzweifeln. Doch wie berechtigt ist diese Kritik wirklich?

Die Spaltung im historischen Kontext

Die Trennung zwischen Sunniten und Schiiten entstand nach dem Tod des Propheten Muhammad im Jahr 632.

Der Hauptstreitpunkt war die Frage der Nachfolge: Wer sollte die muslimische Gemeinschaft führen?

  • Sunniten (etwa 85-90% der Muslime weltweit) glaubten, dass der fähigste Muslim aus der Gemeinschaft gewählt werden sollte.
  • Schiiten (etwa 10-15%) waren der Überzeugung, dass die Führung in der Familie des Propheten bleiben sollte, speziell bei seinem Cousin und Schwiegersohn Ali.

Dieser politische Konflikt entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte zu unterschiedlichen religiösen Traditionen.

Der Vergleich mit anderen Religionen

Wenn man die Spaltung im Islam kritisch betrachtet, ist es wichtig, dies im Vergleich zu anderen Religionen zu sehen:

Im Christentum gibt es weitaus tiefgreifendere Spaltungen:

  • Katholiken und Protestanten sind sich nicht einmal über den Inhalt der Bibel einig. Katholiken erkennen sieben Bücher im Alten Testament an, die Protestanten ablehnen.
  • Diese Meinungsverschiedenheit führte zum Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), bei dem etwa 7 Millionen Menschen starben – ein Drittel der damaligen europäischen Bevölkerung.
  • Nach der Reformation spaltete sich das Christentum in zahlreiche weitere Denominationen: Lutheraner, Calvinisten, Baptisten, Pfingstler, Siebenten-Tags-Adventisten, später auch Zeugen Jehovas und Mormonen.
  • Vor der Kanonisierung der Bibel unter Kaiser Konstantin gab es noch mehr Strömungen wie Gnostiker und Ebioniten, sowie viele nicht anerkannte Evangelien.
  • Selbst über das Kernkonzept der Trinität gab es heftige Debatten, wie zwischen Arius und seinen Gegnern.

Einheit trotz Unterschieden im Islam

Trotz der Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten teilen sie fundamentale Glaubensinhalte:

  1. Beide akzeptieren denselben Koran, ohne Abweichungen im Text.
  2. Beide erkennen Muhammad als letzten Propheten an.
  3. Beide praktizieren die fünf Säulen des Islam: Glaubensbekenntnis, Gebet, Almosen, Fasten und Pilgerfahrt.
  4. Beide akzeptieren dieselben grundlegenden Glaubenslehren über Allah, die Engel, die heiligen Bücher, die Propheten und den Jüngsten Tag.

Die Unterschiede liegen hauptsächlich in Fragen der religiösen Autorität, einigen rechtlichen Urteilen und bestimmten rituellen Praktiken.

Zusammenfassung

Die Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten ist eine historische Realität im Islam, aber sie ist weniger tiefgreifend als die Spaltungen in anderen Weltreligionen. Beide Gruppen teilen die Kernüberzeugungen des Islam und erkennen denselben heiligen Text an.

Im Vergleich zu den Spaltungen im Christentum, wo selbst der Kanon der heiligen Schriften und grundlegende theologische Konzepte unterschiedlich sind, erscheinen die Unterschiede im Islam weniger fundamental.

Die Kritik, der Islam könne aufgrund dieser Unterschiede nicht wahr sein, erscheint daher unbegründet, besonders wenn sie von Anhängern anderer Religionen kommt, die selbst tiefere Spaltungen aufweisen.

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