Warum sind Zinsen im Islam verboten?

Eine der wichtigsten wirtschaftlichen Regeln im Islam ist das Zinsverbot (Riba). Viele Menschen fragen sich, warum der Islam Zinsen so strikt verbietet und wie ein Wirtschaftssystem ohne Zinsen überhaupt funktionieren kann. Schauen wir uns die Gründe und Alternativen genauer an.

Der Kerngrund: Ungerechte Risikoverteilung

Der Hauptgrund für das Zinsverbot im Islam ist ganz einfach:

Weil du nie verlieren kannst.

Du wirst immer den Gewinn haben, weil du Geld ausleihst – das war’s. Ob dieser Mensch Verlust hat oder nicht, ob er das Geld in seinem Handel verliert – da sagst du: “Ist mir egal, ich habe die 1000€ gegeben, ich will die 1500 € zurück.”

Bei einem Zinsgeschäft übernimmt der Geldgeber kein Risiko.

Er bekommt sein Geld plus Zinsen zurück, egal was mit dem Geschäft oder Projekt des Kreditnehmers passiert.

Das widerspricht dem islamischen Prinzip der gerechten Wirtschaftsethik.

Die islamische Wirtschaftsethik

Der Islam fordert eine faire Risikoverteilung zwischen allen beteiligten Parteien.

Es kann nicht sein, dass eine Seite das gesamte Risiko trägt, während die andere Seite garantiert profitiert.

Diese ungleiche Risikoverteilung führt auch zu systemischen Problemen im konventionellen Bankensystem:

Wir sehen ja auch, wie dieses Wirtschaftssystem immer weiter den Bach heruntergeht. Alle paar Jahre muss irgendeine Bank gerettet werden.

Wie funktionieren islamische Banken?

Im Gegensatz zu konventionellen Banken arbeiten islamische Finanzinstitute nach anderen Grundsätzen:

Konventionelle Bank:

  • Verleiht Geld gegen Zinsen
  • Trägt kein Risiko bei Verlust
  • Fordert ihr Geld plus Zinsen zurück, unabhängig vom Erfolg des Projekts

Die gibt dir das Geld und sagt: “Ist mir egal, was mit dir passiert – dein Haus ist kaputt gegangen, dein Auto, deine Firma hat dicht gemacht – ich will meine 100.000 plus 50.000 Zinsen.”

Islamische Bank:

  • Wird zum Partner im Geschäft
  • Teilt Gewinne und Verluste nach vereinbartem Verhältnis
  • Trägt das Risiko mit

Die islamische Bank sagt: “Ich werde dein Partner und wir machen dann fifty-fifty oder von mir aus 80 zu 20, ist egal wie viel dann jeder Anteil hat. Aber wenn du verlierst, verliere ich mit dir. Wenn du gewinnst, gewinne ich mit dir.”

Alternative: Kauf und Verkauf statt Kredit

Eine andere islamische Alternative zum zinsbezogenen Kredit ist der Kauf und Weiterverkauf (Murabaha):

  1. Du möchtest ein Auto kaufen, hast aber nicht genug Geld
  2. Die islamische Bank kauft das Auto
  3. Die Bank verkauft dir das Auto mit einem Aufschlag
  4. Du zahlst den Betrag in Raten ab

Der entscheidende Unterschied: Die Bank trägt zunächst das Risiko für das Auto. Wenn das Auto nach dem Kauf durch die Bank, aber vor dem Verkauf an dich gestohlen wird oder kaputt geht, ist das Verlust für die Bank – nicht für dich.

Eine alte Überzeugung, nicht nur im Islam

Das Zinsverbot ist keineswegs eine Besonderheit des Islam. Tatsächlich haben alle drei abrahamitischen Religionen – Judentum, Christentum und Islam – klare Verbote oder Einschränkungen für Zinsen.

Selbst große Denker wie Platon und Aristoteles haben sich gegen Zinsen ausgesprochen. Die alten Babylonier und Römer versuchten ebenfalls, Zinsen einzuschränken oder zu verbieten. Diese weitverbreitete Ablehnung deutet darauf hin, dass es sich nicht um ein willkürliches Verbot handelt, sondern um eine tiefe moralische Überzeugung.

Warum leihen sich Menschen Geld?

Um das Zinsverbot zu verstehen, müssen wir zunächst betrachten, warum Menschen überhaupt Geld leihen:

  1. Notlage: Menschen geraten in finanzielle Schwierigkeiten und brauchen Hilfe.
  2. Investition: Sie möchten ein Geschäft aufbauen oder eine Investition tätigen.

Das Problem mit Zinsen in Notlagen

Wenn jemand in Not gerät und Geld leihen muss, bedeutet das Erheben von Zinsen, dass man von dieser Notlage profitiert. In einer Gesellschaft, wo Zinsen normal sind, könnten Menschen sogar darauf hoffen, dass andere in Not geraten, damit sie daran verdienen können.

Natürlich kann man in Notsituationen Geld verleihen, wenn man nicht in der Lage ist, es zu spenden. Das ist bereits eine gute Tat. Aber daran zu verdienen? Das widerspricht dem moralischen Grundsatz, sich nicht an der Not anderer zu bereichern.

Die Frage des Risikos bei Geschäftsinvestitionen

Aber was ist mit dem zweiten Fall – wenn jemand Geld für ein Geschäft leiht? Sollte der Geldgeber nicht für die Bereitstellung seines Kapitals entschädigt werden?

Natürlich kann und soll er daran verdienen – aber nicht unter Ausschluss jedes Risikos. Bei Zinsen verdient der Geldgeber garantiert, unabhängig davon, ob das Geschäft erfolgreich ist oder nicht.

Ein typisches Beispiel: Jemand mit Know-how möchte ein Geschäft aufbauen, hat aber kein Geld. Jemand anders hat Geld, aber kein Know-how. Beide bringen etwas Wesentliches ein – warum sollte dann nur eine Seite das Risiko tragen, während die andere garantiert verdient?

Im Islam gibt es stattdessen das Konzept der Gewinn- und Verlustbeteiligung: Beide Parteien teilen sowohl den Erfolg als auch das Risiko.

Wirtschaftliche Probleme des Zinssystems

Neben den moralischen gibt es auch wirtschaftliche Gründe für das Zinsverbot:

Der Josef-Pfennig: Wenn Josef (der Pflegevater von Jesus) bei der Geburt Jesu einen Pfennig auf ein Sparbuch gelegt hätte, wäre diese Summe durch Zinseszins heute so groß, dass sie mehrere hundert Milliarden Mal das Gewicht der Erde in Gold betragen würde!

Dies zeigt, dass Zinsen dazu führen, dass sich Geld unabhängig von der realen Wirtschaft vermehren kann. Das Geld wird zum Selbstzweck, anstatt ein Mittel zum Tausch und zur Förderung wirtschaftlicher Aktivität zu sein.

Nicht umsonst kamen islamische Banken während der Finanzkrise 2008 vergleichsweise glimpflich davon, da sie keine klassischen Zinsgeschäfte tätigen durften.

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