Eine häufig gehörte Aussage in westlichen Diskussionen über den Islam lautet: “Das Kopftuch steht nicht im Koran.” Doch stimmt diese Behauptung?
Inhalte
Eine moderne Behauptung
Diese Aussage hört man vor allem im Westen. In muslimisch geprägten Ländern würde man sie kaum vernehmen.
Es ist bemerkenswert, dass diese Behauptung erst in jüngerer Zeit aufgekommen ist, obwohl der Islam auf eine 1.400-jährige Geschichte zurückblickt.
Das Kopftuch war nie eine strittige Angelegenheit in der islamischen Tradition. Selbst in christlichen Gesellschaften war das Tragen von Kopfbedeckungen für Frauen bis vor etwa 100 Jahren üblich – auch in Deutschland.
Was bedeutet “steht nicht im Koran”?
Heute wird die Aussage “steht nicht im Koran” oft als Synonym verwendet für “hat mit dem Islam nichts zu tun”.
Dieser Gedankengang ist problematisch, denn er reduziert den Islam ausschließlich auf den Korantext.
Dabei ist der Koran nicht die einzige Rechtsquelle im Islam. Die islamische Rechtswissenschaft basiert auch auf der Sunna (der Praxis des Propheten Muhammad) und weiteren Quellen.
Was steht wirklich im Koran?
Tatsächlich findet sich das Kopftuch sehr wohl im Koran. In Sure 24, Vers 31 heißt es:
“…und sie sollen ihre Khimar über ihre Ausschnitte schlagen…”
Das arabische Wort “Khimar” (Plural: Khumur) bezeichnet ein Tuch, das über dem Kopf getragen wird. Der Vers weist die gläubigen Frauen an, dieses Kopftuch auch über den Ausschnitt zu ziehen.
Die sprachliche Bedeutung von “Khimar”
Das Wort “Khimar” ist sprachlich verwandt mit dem Wort “Khamr”, das oft vereinfacht mit “Alkohol” übersetzt wird. Eigentlich umfasst “Khamr” aber alles, was berauscht oder den Verstand benebelt.
Die Wurzelbedeutung dieser Wortfamilie bezieht sich auf etwas, das den Kopf bedeckt oder verhüllt. So wie berauschende Substanzen den Verstand “verhüllen”, ist ein “Khimar” ein Tuch, das den Kopf verhüllt.
Eine klare Anweisung
Der Vers gibt eine klare Anweisung: Frauen sollen ihre Kopftücher (“Khumur”) so tragen, dass sie auch den Ausschnitt bedecken.
Die Voraussetzung dabei ist, dass bereits ein Kopftuch getragen wird – die Bedeckung des Kopfes selbst wird als selbstverständlich vorausgesetzt.
Warum die Verwirrung?
Es ist ein Merkmal unserer Zeit, dass manchmal selbst einfache Sachverhalte kompliziert dargestellt werden. Die Tradition des Kopftuchtragens besteht seit 1400 Jahren von Marokko bis Indonesien.
Es ist unwahrscheinlich, dass Muslime über 14 Jahrhunderte hinweg etwas praktizierten, was gar nicht in ihrer Religion verankert wäre.
Die psychologische Dimension
Warum wird diese Behauptung dann überhaupt aufgestellt? Eine mögliche Erklärung bietet das Zitat aus dem Film “Matrix”:
“Leugnen ist die vorhersehbarste aller menschlichen Reaktionen.”
Menschen neigen dazu, Dinge zu leugnen oder in Frage zu stellen, die ihnen nicht gefallen oder die nicht in ihr Weltbild passen.
Dies könnte erklären, warum manche versuchen, die religiöse Grundlage des Kopftuchs zu bestreiten.